Heutzutage sind Smartphones aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken und gehören zu unseren ständigen Begleitern. Auf unseren Smartphones werden allerhand Informationen und Daten gespeichert, wie beispielsweise Bilder, Nachrichten, E-Mails Kontakte oder Standortinformationen. Unter der Vielzahl an gespeicherten Daten können sich im Falle eines Strafverfahrens potenziell relevante Beweismittel befinden. Damit besteht ein Interesse der Strafverfolgungsbehörden an dem Zugriff auf diese Daten. Solange das Smartphone mittels einer PIN gesperrt ist, ist der Beschuldigte nach dem Nemo-tenetur-Grundsatz nicht verpflichtet, diese offenzulegen. Allerdings sind die auf den Smartphones befindlichen Daten inzwischen überwiegend durch biometrische Verschlüsselungsmöglichkeiten gesichert. Sie sind den Strafverfolgungsbehörden nicht ohne weiteres zugänglich.

Wie ist es aber rechtlich zu beurteilen, wenn die Polizei sich die biometrischen Merkmale zur Entschlüsselung zu Nutze macht (Rottmeier/Eckel, NStZ 2020, 193)? Dürfen die Strafverfolgungsbehörden von dem Beschuldigten Fingerabdrücke nehmen und damit das Smartphone entsperren? Und dürfen die darauf gespeicherten Daten anschließend im Strafverfahren verwertet werden? 

Diese Fragen sind äußerst umstritten. Das Landgericht Ravensburg entschied nun: Die Abnahme und Nutzung der Fingerabdrücke zum Zweck der Entsperrung sei als „ähnliche Maßnahme“ von § 81b I StPO umfasst und die Auswertung nach § 110 StPO gerechtfertigt (2 Qs 9/23 jug). Diese Entscheidung greift zu kurz, indem sie die grundrechtliche Problematik verkennt. Sie könnte in der Folge künftig zu Problemen führen. 

Auch gegen den Willen des Beschuldigten

In dem Fall, der dem Beschluss des Landgerichts Ravensburg vom 14. Februar 2023 zugrunde liegt, ging es um einen Beschuldigten, welcher der Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des Handeltreibens und des versuchten unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln verdächtig war und gegen den deshalb im Rahmen der Ermittlungsmaßnahmen eine Wohnungsdurchsuchung stattfand. Dabei wurde das Smartphone des Beschuldigten beschlagnahmt. Das Amtsgericht Ravensburg ordnete sodann die Abnahme und Nutzung der Fingerabdrücke an, um mit ihnen das Smartphone zu entsperren.

Der Beschuldigte legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. 

Die Frage, mit der das Landgericht Ravensburg sich befassen musste, war, ob die Abnahme und die Nutzung von Fingerabdrücken zum Zweck der Entsperrung sowie die anschließende Auswertung der gefundenen Daten von Ermächtigungsgrundlagen gedeckt und verhältnismäßig sind. Das Landgericht bejahte dies. § 81b I StPO ermögliche „die Anordnung zur Abnahme von Fingerabdrücken des Beschuldigten auch gegen seinen Willen und erforderlichenfalls im Wege der zwangsweisen Durchsetzung, sowie die Anordnung der hieraus resultierenden biometrischen Daten für Zwecke der Entsperrung des Mobiltelefons“. § 81b I StPO legitimiert für die Zwecke des Strafverfahrens oder des Erkennungsdienstes notwendige Lichtbilder und Fingerabdrücke durch die Strafverfolgungsbehörden sowie Messungen und ähnliche Maßnahmen. Das Landgericht betonte daher, dass § 81b I Var. 1 StPO schon dem Wortlaut nach zur Abnahme von Fingerabdrücken des Beschuldigten berechtige, die dieser als Passivmaßnahme zu dulden habe (so auch Rottmeier/Eckel, NStZ 2020, 193, 195). Im Falle des Widerstands könne auf unmittelbaren Zwang zurückgegriffen werden (so auch Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt, StPO, 66. Aufl. (2023), § 81b Rn. 15). 

Die Rechtmäßigkeit der Nutzung der Fingerabdrücke zum Zweck des Entsperrens des Mobiltelefons ergebe sich laut Landgericht daraus, dass die Nutzung als „ähnliche Maßnahme“ von § 81b I StPO umfasst sei. Zwar weist das Landgericht darauf hin, dass es sich bei dieser Maßnahme nicht um den mit § 81b I StPO vom Gesetzgeber in den Blick genommenen Fall handelt. Historischer Hintergrund der Norm war vielmehr, die festgestellten Fingerabdrücke mit Tatortspuren oder den Abdrücken einer Kartei vergleichen und auf diese Weise einen Tatnachweis führen zu können (Bäumerich, NJW 2017, 2718). Da es damals noch keine Smartphones gab, konnte der gegenwärtige technische Stand im Gesetzeswortlaut keine Berücksichtigung finden. Der Gesetzeswortlaut des § 81b I StPO sei jedoch offen formuliert, sodass „sich der statische Gesetzeswortlaut an den jeweiligen Stand der Technik anpassen“ könne (Rottmeier/Eckel, NStZ 2020, 193, 194). 

Zugriff auf Daten verhältnismäßig

Auch den anschließenden Zugriff auf die auf dem Smartphone gespeicherten Daten sieht das Landgericht als verhältnismäßig an. Dieser Zugriff könne in der Regel mit ähnlicher Begründung auf andere Normen der StPO gestützt werden. Das Landgericht verweist hier auf § 110 StPO. Das Entsperren des Speichermediums sei ein notwendiges Zwischenziel. Ferner seien die aus diesen Daten gewonnenen Informationen dazu geeignet, den Verdacht des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu bestätigen. Die Erforderlichkeit ergebe sich aus der Weigerung des Beschuldigten zur freiwilligen Herausgabe und dem fehlenden Zugriff auf Zugangspasswörter sowie aus dem Umstand, dass ein anderes Vorgehen aufgrund des Zeit- und Kostenaufwands nicht im selben Maße effektiv sei. Schließlich sei der Zugriff auch angemessen. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung trete hier wegen der „eher geringen Eingriffsintensität“ hinter dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung zurück. Beachtlich ins Gewicht falle laut Gericht, dass die Speicherung der Fingerabdrücke nur von kurzer Dauer und der Zweck mit der Entsperrung des Smartphones erreicht sei. Der dadurch ermöglichte eingriffsintensivere Zugriff auf die gespeicherten Daten sei laut Gericht dadurch gerechtfertigt, dass dem Beschuldigten eine Tat vorgeworfen werde, die die Grenze eines Bagatelldelikts deutlich übersteige, und weil das Smartphone mit großer Wahrscheinlichkeit selbst ein Tat- und Beweismittel sei. 

Unzureichende Argumentation des Landgerichts 

Die Entscheidung des Landgerichts bleibt hinter den Erwartungen an eine intensive Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte zurück. Es ist zwar plausibel, den § 81b I StPO als „technikoffen“ zu lesen und die Norm auch auf fortschreitende Entwicklungen anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Gesetzerlasses nicht in den Blick genommen werden konnten. Dabei darf aber nicht der Sinn und Zweck der Norm außer Acht gelassen werden. Der wesentliche Anwendungsbereich des § 81b I StPO bezieht sich auf die Identitätsfeststellung. Insofern ist die Abnahme von Fingerabdrücken „auf die Feststellung äußerer, dauerhafter Merkmale einer Person zwecks Abgleichs mit oder Zuordnung zu Tatortspuren und Beweismitteln gerichtet, nicht aber auf die Ausforschung der Persönlichkeitssphäre des Beschuldigten“ (Nadeborn/Irscheid, StraFo 2019, 274, 275). 

Darüber hinaus können unverschlüsselte Daten (bspw. auf Papier) nicht gleichgesetzt werden mit unverschlüsselten Daten, die in einem vorherigen Schritt erst entschlüsselt werden mussten (bspw. auf einem Smartphone mit einem Fingerabdrucksensor). Den Daten auf dem Smartphone kommt bereits aufgrund ihrer vorgelagerten Verschlüsselung ein anderer Schutzgehalt zu. Diesen Unterschied verkennt das Landgericht, wenn es annimmt, dass die Maßnahme auf § 110 StPO gestützt werden könne. 

Das BVerfG konstituierte in einer anderen Entscheidung ein Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, welches betroffen ist, sobald ein Zugriff auf ein System in dem Maße möglich ist, dass ein Einblick in einen wesentlichen Kernbereich der persönlichen Lebensführung gegeben wird. Insofern ist die Auswertung verschlüsselter Daten anders zu bewerten als von zu Beginn an unverschlüsselten Daten, da bereits durch die Aufhebung der Verschlüsselung die Intensität des Eingriffs erhöht wird. Daneben ist dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG und dem Fernmeldegeheimnis gem. Art. 10 I GG Rechnung zu tragen. 

Das Smartphone als „digitaler Spiegel unseres gesamten Alltags“ ist ein informationstechnisches System, welches eine Fülle an persönlichen Daten bereithält. Die umfassende Auswertung der Daten eines Smartphones tangiert damit unausweichlich den Kernbereich der persönlichen Lebensführung, da sie „die Erstellung nahezu vollständiger Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile“ ermöglicht. Die Auswertung der Daten stellt einen wesentlich intensiveren Eingriff dar als vom Landgericht angenommen. 

Darüber hinaus problematisch ist die Frage nach der Verwertung von „Zufallsfunden“. Diese Möglichkeit ist strafprozessual vorgesehen. Erlaubt ist auch die Verwendung von Beweisen, die auf eine völlig neue Straftat hindeuten und die in keiner Beziehung zu der Anlasstat stehen. Gerade weil heutzutage das Smartphone eine Fülle an Informationen und Daten bereithält, erweitern sich die Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden, ohne den Grundrechten des Betroffenen in ausreichendem Maße Rechnung zu tragen.

Zu kritisieren ist dabei vor allem, dass die §§ 81b I, 110 StPO nicht unter einem Richtervorbehalt stehen. Die Online-Durchsuchung gem. § 100b StPO, bei der in vergleichbarer Weise ohne das Wissen des Betroffenen mit technischen Mitteln in ein von diesem genutztes informationstechnisches System eingegriffen und Daten daraus erhoben werden dürfen, steht hingegen unter einem qualifizierten Richtervorbehalt (§ 100e II StPO). Das bedeutet, dass die Online-Durchsuchung nur durch die zuständige Kammer des Landgerichts angeordnet werden darf, bei Gefahr im Verzug auch durch den Vorsitzenden. §  100b StPO setzt damit höhere Voraussetzungen an die Anordnung der Online-Durchsuchung. Im Hinblick auf die Eingriffsintensität in das Grundrecht auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme und das Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten ist dies auch geboten. Wenn bei der Datenauswertung eines verschlüsselten Smartphones gegen den Willen des Beschuldigten gehandelt wird, erscheint die Grundrechtseingriffsintensität ähnlich gelagert zu sein wie bei der Online-Durchsuchung. 

Ferner kann man sich die Frage stellen, wie sich die Thematik mit der fortschreitenden Technik verhalten wird. Mittlerweile wird die „Face ID“, also die Gesichtserkennung, immer häufiger eingesetzt. Dass Polizeibeamte einem Beschuldigten das Smartphone lediglich vor das Gesicht zu halten brauchen, um an die gesamte Fülle an Daten zu gelangen, und dies bereits durch die §§ 81b I, 110 StPO gedeckt sein soll, erscheint im Hinblick auf die Qualität der Daten nicht verhältnismäßig.

Fazit

Dementsprechend ist die Entscheidung trotz der prima facie Plausibilität der landgerichtlichen Argumentation kritisch zu betrachten. Die Grundrechtssensibilität der Fragestellung wird nicht in hinreichendem Maße berücksichtigt. Diese steht einem Rückgriff auf §§ 81b I, 110 StPO im Blick auf die Entschlüsselung biometrisch gesicherter Daten auf dem Smartphone entgegen. In Anbetracht des immer weiter steigenden Bedürfnisses in der Praxis, verschlüsselte Geräte auch auf weniger kosten- und zeitintensive Weise entschlüsseln zu können, erscheint es durchaus sinnvoll eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die dem intensiven Grundrechtseingriff hinreichend Rechnung trägt. Dabei ist insbesondere eine richterliche Anordnung vorzusehen.  

stud. iur. Lara Engelmann