Die Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin gegen einen ehemaligen Mitarbeiter der Staatssicherheit

Muss sich die deutsche Justiz erneut mit den Taten der DDR auseinandersetzen? Am 14. März 2024 begann der Prozess gegen einen ehemaligen Mitarbeiter der Staatsicherheit vor dem Landgericht Berlin. Ihm wird vorgeworfen, am 29. März 1974 Czesław Jan Kukuczka in Ostberlin erschossen zu haben. Dieser soll zuvor versucht haben, seine Ausreise nach West-Berlin zu erzwingen. Der Mann habe mit einer Bombenattrappe die polnische Botschaft betreten, um an die für die Ausreise aus der DDR benötigten Dokumente zu gelangen. Daraufhin sei die Staatssicherheit scheinbar auf seine Forderung eingegangen, habe ihn zu dem Sektorenübergang am Bahnhof Friedrichstraße begleitet und ihm die nötigen Dokumente zur Ausreise ausgestellt. Aus einem Versteck habe der Angeklagte, damals Mitarbeiter der Staatssicherheit, das Opfer sodann erschossen. Der Angeklagte sei vorher mit der „Unschädlichmachung“ des Opfers beauftragt worden. Auf Grundlage des geschilderten Tatgeschehens wirft die Staatsanwaltschaft Berlin dem Angeklagten einen heimtückischen Mord vor.

Das Verfahren ist nicht neuartig, sondern reiht sich in die Bemühungen der bundesdeutschen Justiz bei der Aufarbeitung des DDR-Unrechts ein. Nach dem Fall der Mauer 1989 musste eine umfassende rechtliche Auseinandersetzung mit dem DDR-Unrecht erfolgen, die auch die Fälle der Mauerschützen betraf. Zwischen 1961 und 1989 wurden 91 Menschen beim Versuch, die Berliner Mauer zu überwinden, erschossen. Der „Schießbefehl“ wurde von 1982 bis 1989 durch das „Grenzgesetz der DDR“ bestimmt. Demnach bestand der Befehl zum Schießen, wenn keine andere Verhinderung der Flucht möglich war.

Der nachfolgende Beitrag ordnet die sich in dem aktuellen Verfahren stellenden Rechtsfragen unter Berücksichtigung vergangener Entscheidungen in ähnlichen Fällen ein. 

Verjährung der Tat? 

Eine Anklage kann auch nach über 40 Jahren noch erfolgen, da gem. § 78 Abs. 2 StGB Mord in Deutschland nicht verjährt. Eine Abschaffung der Verjährungsfrist erfolgte in der Bundesrepublik Deutschland 1979 durch das 16. StrÄndG (BGBl. I 1979, 1046), um die Aufarbeitung von Verbrechen, die während der NS-Zeit begangen wurden, zu erleichtern. Infolgedessen konnte neben dem Straftatbestand des Völkermordes auch Mord nicht mehr verjähren. Umfasst waren davon auch alle Verbrechen, die den Straftatbestand des Mordes erfüllten, die vor 1979 begangen wurden, soweit sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des 16. StrÄndG noch nicht verjährt waren. Die vorliegende Tat wurde aber im Jahr 1974 in der DDR begangen. Daraus folgt, dass zum Tatzeitpunkt nicht die Verjährungsregelung der Bundesrepublik galt, sondern nach § 82 Abs. 1 Nr. 5 StGB/DDR in Verbindung mit § 112 Abs. 1 StGB/DDR Mord nach 25 Jahren verjährte. Ginge man von einer Anwendung dieser Vorschriften aus, wäre die Tat bereits verjährt.

Im Einigungsvertrag zwischen DDR und Bundesrepublik Deutschland wurde jedoch mit Art. 315a Abs. 3 EGStGBbeschlossen, dass auch in der DDR begangene Taten, die den Straftatbestand des § 211 StGB erfüllen, nicht verjähren können. Nach Art. 315a Abs. 4 EGStGB gilt dies lediglich dann nicht, wenn die Tat bis zum 30. September 1993 bereits verjährt war. Da die Tat der Anklage nach im Jahr 1974 begangen wurde, greift die Regelung des Art. 315a Abs. 4 EGStGB hier nicht. Folglich ist auf die vorliegende Tat die Aufhebung der Verjährung anzuwenden, wodurch eine Strafverfolgung auch heute noch möglich ist. 

Anwendbares Recht?

Problematisch ist zudem, ob die Beurteilung der Strafbarkeit nach dem Recht der DDR oder nach bundesdeutschem Recht erfolgen soll. Das Landgericht Berlin widmete sich dieser Frage bereits im Jahr 1991 (JZ, 47. Jahrg. Nr. 13. S. 691ff.). Angeklagt waren zunächst vier Grenzsoldaten, denen vorgeworfen wurde, im Februar 1989 den flüchtigen Chris Gueffroy erschossen zu haben. Dieser hatte versucht, mit einem Freund gemeinsam in den Westen zu fliehen. Von den vier Angeklagten wurde nur einer, Ingo H., wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Bezüglich des Angeklagten Ingo H. stellte das Landgericht Berlin fest, dass er den für Chris Gueffroy tödlichen Schuss abgegeben hatte. Zuvor sei dieser durch einen Postenführer dazu aufgefordert worden, auf Chris Gueffroy zu schießen. Dadurch habe er sich wegen Totschlags im minder schweren Fall nach § 212 Abs. 1§ 213 Alt. 2 StGB strafbar gemacht.

Im Hinblick auf die anwendbare Strafnorm führte das Landgericht an, dass gemäß Art. 315 Abs. 1 S. 1 EGStGB in Verbindung mit § 2 Abs. 1 und 3 StGB das Recht der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden sei. Zurückzuführen ist dies auf den „Zwei-Schlüssel-Ansatz“. Neben der bereits erwähnten Verjährungsfrist regelte der Einigungsvertrag auch die Frage, welches Strafrecht als Rechtsgrundlage nach der Wiedervereinigung dienen sollte. Art. 315 Abs. 1 EGStGBverweist auf § 2 StGB und normiert, dass, wenn die Tat nach dem Recht der DDR und dem bundesdeutschen Recht strafbar ist, das mildere Recht anzuwenden ist. Daraus folgt eine zweistufige Prüfung. Erst erfolgt eine Prüfung des Unrechtsgehalts der Tat nach dem Strafrecht der DDR. Ist die Tat danach nicht strafbar, scheidet eine Verfolgung nach § 2 StGB aus. Wird eine Strafbarkeit bejaht, muss geprüft werden, ob der Unrechtsgehalt der Tat auch von bundesdeutschem Recht erfasst wird. Es muss ein Vergleich beider Vorschriften erfolgen, denn nur wenn beide im Wesentlichen denselben Unrechtscharakter erfassen, kann von einer Anwendung des § 2 StGB ausgegangen werden. Ist der Unrechtscharakter vergleichbar, erfolgt die Anwendung des milderen Rechts. Bei der Bestimmung des milderen Rechts ist nicht allein auf den Strafrahmen abzustellen, sondern immer der konkrete Einzelfall durch eine Gesamtschau in den Blick zu nehmen. Es gilt das Prinzip der Meistbegünstigung (MüKo-Schmitz, StGB, 4. Aufl. (2020), § 2 Rn. 22 ff.). Im Fall Chris Gueffroy erläuterte das Landgericht unter Berufung auf § 2 Abs. 3 StGB, dass § 213 StGB Anwendung finden müsse, da die Strafandrohung nach § 113 Abs. 1 Nr. 3 StGB/DDR höher sei. § 213 StGB sah in seiner damaligen Fassung eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor, § 113 Abs. 1 Nr. 3 StGB/DDR hingegen eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.

Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot?

Eine besondere Schwierigkeit stellt die Rechtsfrage dar, ob ein Angeklagter, der zum Tatzeitpunkt im Einklang mit dem geltenden Recht handelte, nach heutigem Recht verurteilt werden kann. Auch diese Frage wurde bereits im Fall Chris Gueffroy aufgeworfen. Der Angeklagte Ingo H. berief sich auf die Anwendung des § 27 Abs. 2 S. 1 des Grenzgesetzes der DDR in Verbindung mit dem Verbrechenstatbestand des § 213 Abs. 3 Nr. 5 StGB/DDR als Rechtfertigungsgrund. Das Landgericht Berlin verneinte im erstinstanzlichen Urteil die rechtfertigende Wirkung des § 27 des Grenzgesetzes der DDR und nahm entgegen der damaligen Staatspraxis der DDR eine menschenrechtsfreundliche Auslegung des Paragrafen vor.

Urteil des Bundesgerichtshofs

Dagegen wandte sich der Angeklagte Ingo H. unter anderem mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGHSt 39, 168). Die zentrale Frage war, ob in der menschenrechtsfreundlichen Auslegung der DDR-Gesetze ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG liegt.

Das Rückwirkungsverbot bezeichnet einen Grundsatz der verfassungsrechtlichen Ordnung, der besagt, dass die Bestrafung einer begangenen Tat nur zulässig ist, wenn die Strafbarkeit vor der Begehung der Tat durch ein Gesetz bestimmt ist. Infolgedessen könnte auch in einer der damaligen Staatspraxis zuwiderlaufenden, menschenrechtsfreundlichen Auslegung, die die Versagung der rechtfertigenden Wirkung einer Norm zur Folge hat, ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot liegen. Dazu gilt es zunächst zu erläutern, was unter dem Begriff der menschenrechtsfreundlichen Auslegung zu verstehen ist. 

Der Bundesgerichtshof verwies in seinem Urteil auf eine vorangegangene Entscheidung (BGHSt 39, 1). Dabei beschäftigte sich der BGH mit der Frage, ob § 27 des Grenzgesetzes der DDR auch mit den Auslegungsmethoden, die in der DDR verwendet wurden, menschenrechtsfreundlich ausgelegt werden konnte. Der Bundesgerichtshof führte dazu zunächst an, dass zur Bestimmung, ob eine menschenrechtsfreundliche Auslegung zulässig sei, alleinig das Recht der DDR Anwendung finden dürfe (Rn. 53ff.). Ausgangspunkt der Prüfung sei Art. 89 Abs. 3 der Verfassung der DDR(VerfDDR) (Rn 54). Dieser normierte, dass Rechtsvorschriften der Verfassung der DDR nicht widersprechen durften. Nach Art. 30 VerfDDR waren wiederum die Persönlichkeit und die Freiheit eines jeden Bürgers der DDR unantastbar. Eine Einschränkung dieses Rechts war nur dann begründet, wenn sie im Zuge einer strafbaren Handlung oder einer Heilbehandlung erfolgte. Hingegen war das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht konkret in der Verfassung der DDR verankert. Der Bundesgerichtshof nahm eine umfassende Betrachtung vor und bezog sich auf Art. 6 IPbpR (Rn. 54). Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 regelt grundlegende Menschenrechte. Zu den Vertragsstaaten gehörte auch die damalige DDR, die den Vertrag am 8. November 1973 ratifizierte. Art. 6 IPbpR normiert, dass jeder Mensch ein angeborenes Recht auf Leben innehat und dieses Recht gesetzlich zu schützen ist. Fortführend stellt Art. 6 IPbpR klar, dass niemand dieses Rechts willkürlich beraubt werden darf. Daraus folgerte der Bundesgerichtshof, dass dadurch ein Recht auf Leben auch von Art. 30 Abs. 1 VerfDDR erfasst sei (Rn. 54). Demnach bedürfe eine Einschränkung dieses Rechts nach Art. 30 Abs. 2 VerfDDR auch grundsätzlich einer gesetzlichen Begründung (Rn. 54). In dieser gesetzlichen Regelung der DDR sei der in der Bundesrepublik bekannte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wiederzufinden (Rn. 54). Der Bundesgerichtshof stellte fortführend fest, dass die Rechtspflege nach Art. 90 Abs. 1 VerfDDR zum Schutz der Freiheit, des friedlichen Lebens sowie zum Schutz der Rechte und der Würde der Menschen verpflichtet war. Nach Art. 96 VerfDDR seien die Richter unabhängig und nur an die Verfassung und das Gesetz gebunden (Rn. 55). Infolgedessen könne § 27 des Grenzgesetzes der DDR, orientiert an Art. 6 IPbpR und gestützt auf den in Art. 30 Abs. 2 S. 2 VerfDDR enthaltenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, menschenrechtsfreundlich ausgelegt werden (Rn. 56). Zusätzlich nahm der Bundesgerichtshof Art. 12 IPbpR als Grundlage der Auslegung hinzu (Rn. 56). Dieser besagt, dass es jedermann freisteht, sein eigenes Land zu verlassen. Eine Einschränkung ist nach Art. 12 Abs. 3 IPbürgR nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Der Bundesgerichtshof führte an, dass in dieser Hinsicht das Überschreiten der Grenze schon nicht unter den Verbrechenstatbestand des § 213 Abs. 3 Nr. 5 StGB/DDR falle und aus diesem Grund der Gebrauch der Schusswaffe nach § 27 Abs. 2 des Grenzgesetzes der DDR unzulässig sei (Rn. 56).

Darüber hinaus lehnte der Bundesgerichtshof die Rechtfertigung des Gebrauchs der Schusswaffe auch im Hinblick auf den aus Art. 30 Abs. 2 VerfDDR abgeleiteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ab.  § 27 Abs. 2 des Grenzgesetzes der DDR sei demnach so auszulegen, dass die Schusswaffe zwar zur Verhinderung der Flucht eingesetzt werden durfte (Rn. 56). Ein Schuss, der mit bedingtem oder unbedingtem Vorsatz zur Tötung getätigt wurde, könne aber nicht gerechtfertigt sein, wenn der Flüchtige weder bewaffnet sei noch eine sonstige Gefahr für Leib oder Leben anderer darstelle. In solchen Fällen müsse der Schutz des Lebens Vorrang haben (Rn. 56). 

Aber könnte nicht genau darin ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG liegen? Der Bundesgerichtshof verneinte dies entschieden: Art. 103 Abs. 2 GG schütze das Vertrauen des Angeklagten in den Fortbestand des zur Tatzeit geltenden Rechts (Rn. 67). Das Recht der DDR sei schon zum Zeitpunkt der Tat im Rahmen der völkerrechtlichen Bindungen der DDR und entsprechend dem Schutz der Menschenrechte auszulegen gewesen (Rn. 67). Es sei richtig, dass die damalige Staatspraxis ein anderes Verständnis des § 27 des Grenzgesetzes der DDRvornahm. § 27 des Grenzgesetzes der DDR habe aber schon damals bei einer korrekten Interpretation keine rechtfertigende Wirkung entfaltet (Rn. 57). Das Vertrauen des Angeklagten auf ein Fortwirken einer Anerkennung eines menschenrechtswidrigen Rechtfertigungsgrunds sei nicht schützenswert (Rn. 67). Der Bundesgerichtshof kam aus diesem Grund zu dem Ergebnis, dass in der menschenrechtsfreundlichen Auslegung des § 27 des Grenzgesetzes der DDR kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG liegt. 

Urteil des Bundesverfassungsgerichts 

Endgültig widmete sich das Bundesverfassungsgericht der Frage, ob die menschenrechtsfreundliche Auslegung gegen das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG verstoße (BVerfGE 95, 96). Die Entscheidung erging infolge mehrerer verbundener Verfassungsbeschwerden und betraf unter anderem den Fall Chris Gueffroy (Rn. 11). Das Bundesverfassungsgericht bestätigte die Auffassung des Bundesgerichtshofs, dass § 27 des Grenzgesetzes der DDRkeine rechtfertigende Wirkung zukam, ohne dass diese Auslegung gegen das Rückwirkungsverbot verstoße. Nur wenn Strafgesetze von einem an die Grundrechte gebundenen demokratischen Gesetzgeber erlassen werden, basieren sie auf einer besonderen Vertrauensgrundlage, die die rechtstaatliche Rechtfertigung von Art. 103 Abs. 2 GG begründe (Rn. 136). Es bestehe kein Vertrauensschutz bezüglich des geltenden Rechts mehr, wenn der Staat zwar entsprechende Straftatbestände für schwerstes kriminelles Unrecht normiere, diese aber durch Rechtfertigungsgründe entkräfte und über die geschriebene Norm hinaus zu solchem Unrecht auffordere, es begünstige und so in der Völkergemeinschaft allgemein anerkannte Menschenrechte in schwerwiegender Weise missachte (Rn. 136). In dieser besonderen Situation müsse ausnahmsweise der in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Vertrauensschutz zu Gunsten des Gebots materieller Gerechtigkeit zurücktreten und als Konsequenz könne sich der Betroffene nicht mehr darauf berufen (Rn. 137). 

Wie wahrscheinlich ist eine Verurteilung? 

Welches Gesetz findet im aktuellen Fall des ehemaligen Mitarbeiters der Staatssicherheit Anwendung und könnte er sich auf bestimmte Rechtfertigungsgründe nach der damaligen Rechtslage berufen? Nach dem „Zwei-Schlüssel-Ansatz“ dürfte das Recht der Bundesrepublik zur Anwendung gelangen. Heimtückischer Mord konnte in der DDR bis zu einer Gesetzesänderung im Jahr 1987 mit der Todesstrafe bestraft werden. In minder schweren Fällen konnte die Strafe auf eine lebenslange Haftstrafe gemildert werden. Da sich die fragliche Tat vor der Abschaffung der Todesstrafe ereignete, ist der Strafrahmen des § 112 StGB/DDR im Vergleich zum Strafrecht der Bundesrepublik (§ 211 StGB), welches eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht, als schärfer zu beurteilen. Aus diesem Grund findet das Recht der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Der Angeklagte könnte sich auch nicht über die Anwendung des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 7 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei zur Rechtfertigung der Tat auf § 27 Abs. 2 S. 1 des Grenzgesetzes der DDR berufen. Eine Rechtfertigung des Schusses zum Zweck der Verhinderung der Flucht muss auch in diesem Fall aufgrund der menschenrechtsfreundlichen Auslegung des § 27 des Grenzgesetzes der DDRausgeschlossen sein. 

Ob eine Verurteilung des ehemaligen Mitarbeiters der Staatssicherheit erfolgt, scheint daher wohl nur eine Frage der Beweisbarkeit des Tatgeschehens zu sein. Gelingt der Staatsanwaltschaft der Beweis, dass sich das Tatgeschehen wie in der Anklage beschrieben zugetragen hat, ist eine Verurteilung des Angeklagten auch nach über 40 Jahren wahrscheinlich.

stud. iur. Luisa Sperling